Die meiste Arbeit liegt noch vor uns

Von Hans-Jürgen Bahde

Seit dem Start des Gigabitprogramms haben wir durch unser Kooperationsprogramm mit der Telekom ein hohes Ausbautempo vorgelegt und beachtliche Ausbauerfolge erzielt. Das Engagement weiterer Glasfaseranbieter wie der Deutschen Glasfaser, der GVG Glasfaser, Deutsche Giga Access und anderer Anbieter, die flächendeckend Glasfasernetze in den Kommunen der Region der Region verlegen, unterstützt das Erreichen der zeitlichen Ausbauziele, die wir Stand heute teilweise früher erreichen werden. So sehr wir uns über das bundesweit höchste Ausbautempo einer Wirtschaftsregion freuen, dürfen wir aber nicht übersehen, dass die meiste Arbeit noch vor uns liegt.

Folgende Herausforderungen müssen zukünftig noch gemeistert werden:

Parallelplanungen und Überbau verhindern

Aus unserer Sicht spielt ein Überbau von vorhandenen oder entstehenden Glasfasernetzen nur eine vernachlässigbare Rolle – die tatsächliche Relevanz des Themas wird in der aktuellen Überbaudebatte unseres Erachtens stark übertrieben. In der Region Stuttgart ist es sogar gelungen, Überbau in Kommunen zu vermeiden, wo mehrere Wettbewerber gleichzeitig Glasfaser verlegen. Das Problem beginnt aber früher: Bereits Parallelplanungen, die später nicht realisiert werden, belasten die Wirtschaftlichkeitsrechnung der Unternehmen, blockieren Planungskapazität für andere Ausbaugebiete und verzögern den Ausbau insgesamt. GRS und Zweckverbände müssen deshalb ihre aktive enge Kommunikation mit Kommunen und Telekommunikationsanbietern beibehalten und teilweise intensivieren.

Ausbauende Unternehmen bei der Vermarktung unterstützen

Für eine positive Ausbauentscheidung setzen die Unternehmen in der Regel eine Mindestquote von abgeschlossenen Kundenverträgen voraus. Aktuell bildet die Deutsche Telekom eine Ausnahme. Sie verzichtet derzeit auf eine Vorvermarktungsquote, ist aber dennoch auf einen wirtschaftlichen Ausbau angewiesen. Um diesen zu erreichen, benötigen die Firmen Unterstützung durch die Kommunen und eine enge Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden. Besonders hilfreich ist ein unterstützender Bürgermeisterbrief, der die Relevanz und Vorteile des Glasfaserausbaus für die Bevölkerung aufzeigt und die Akzeptanz spürbar erhöht. Damit wird die Wahrscheinlichkeit, dass die Vorvermarktungsquote und damit die Wirtschaftlichkeitsschwelle für das Telekommunikationsunternehmen erreicht wird, deutlich erhöht.

Nicht zu vergessen ist auch: Hauseigentümer erhalten einen Wertzuwachs der Immobilie und die Kommunen haben einen handfesten Vorteil von einer hohen Anschlussquote, weil sie das Ausmaß späterer Bauarbeiten reduziert (s. Nachverdichtung). Um den Kommunen bei der Bürgerkommunikation Rechtssicherheit zu geben, stellt die GRS-Handreichungen mit rechtlich geprüften Praxisbeispielen für die Vermarktungsunterstützung zur Verfügung.

Ausbauqualität sicherstellen

In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich in einigen Kommunen Baumängel ergeben, die langwierige Nacharbeiten erforderlich machten und so die Ausbaugeschwindigkeit teilweise erheblich verzögert haben. Künftig wird die GRS mit Ihren Experten vor allem solche Bauunternehmen, die noch über wenig Erfahrung mit dem Glasfaserausbau in Deutschland verfügen, beim Ausbau und bei der Zusammenarbeit mit den örtlichen Bauämtern verstärkt beraten und unterstützen. 

Synchronisierung von eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau

Durch den Stopp der Bundesförderung im letzten Herbst und die anschließende Neufassung der Förderkulisse ist Zeit verloren gegangen. Künftig wird es noch wichtiger werden, Telekommunikationsunternehmen, die den Zuschlag für ein Förderprojekt erhalten haben, zu einem möglichst umfassenden zusätzlichen eigenwirtschaftlichen Ausbau zu bewegen. Die zeitliche Synchronisierung von gefördertem und eigenwirtschaftlichem Ausbau war aufgrund der unterschiedlichen Laufzeiten schon bisher schwierig genug. Sie wird durch die erhöhte Komplexität der neuen Förderkulisse noch herausfordernder.

Nachverdichtung

Jeder während der ersten Bauphase realisierte Glasfaseranschluss erspart weitere Bauarbeiten zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich weitere Kunden für einen Anschluss entscheiden. Nicht alle Unternehmen verfügen derzeit über ein tragfähiges Konzept für die Nachverdichtung. Später können für interessierte Bürger oder Hauseigentümer zudem Wartezeiten und hohe Kosten entstehen. Auch die Inhaus-Verkabelung der Gebäude ist teilweise noch ungelöst.

Lückenschluss zum Ende der Programmlaufzeit im Jahr 2030

Trotz der aktuellen Marktkonjunktur und selbst wenn langfristig ausreichend Fördermittel von Bund und Land zur Verfügung stehen, werden schwer erschließbare und für die Unternehmen unwirtschaftliche Adressen übrigbleiben. Um diese lückenlos zu versorgen, ist eine akribische Dokumentation des Ausbaustatus eine zwingende Voraussetzung. Gemeinsam mit den Breitband-Zweckverbänden, den Landratsämtern und der Landeshauptstadt Stuttgart arbeiten wir daran, dieses Problem zufriedenstellend zu lösen.

Die Aufzählung zeigt: Der flächendeckende Glasfaserausbau in der Region Stuttgart wird niemals zum Selbstläufer werden. Doch wenn alle Beteiligten weiterhin engagiert und eng zusammenarbeiten, zweifle ich nicht an unserem Erfolg.

Hans-Jürgen BahdeHans-Jürgen Bahde ist Breitbandbeauftragter der Region und Geschäftsführer der Gigabit Region Stuttgart GmbH (GRS).